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Stand: 19.09.2019

Stellungnahme

Pflegetarife

Position des Vorstands zum "Tarifvertrag Altenhilfe" und zur Verbesserung der Arbeitsbedingungen in der Pflege

Was ist passiert 

Am Donnerstag, 25.2.2021, hat die unabhängige Arbeitsrechtliche Kommission (AK) der Caritas auf Bundesebene über den Antrag auf einen allgemeinverbindlichen "Tarifvertrag Altenhilfe" abgestimmt. Dabei wurde das notwendige Zweidrittelquorum nicht erreicht. Dies hat vielfach zu Irritationen und Unverständnis geführt.

Wir bedauern, dass es uns nicht gelungen ist, über unsere sozialpolitischen Forderungen zur gemeinsamen Weiterentwicklung der Pflege und der Verbesserung der Arbeitsbedingungen in der Pflege auf der einen Seite und den Beschluss der unabhängigen Arbeitsrechtlichen Kommission (AK) der Caritas auf Bundesebene über den Antrag auf einen allgemeinverbindlichen "Tarifvertrag Altenhilfe" auf der anderen Seite adäquat zu informieren und die Sachverhalte auch Nicht-Insidern zugänglich zu machen, so dass sie verstanden, korrekt wiedergegeben und entsprechend eingeordnet werden konnten. Darum ist es uns ein großes Anliegen, im Folgenden die Zusammenhänge zu erläutern und unsere Einschätzungen darzulegen.
Das Ziel von guten Arbeitsbedingungen in der Pflege teilt die Caritas mit der Diakonie, der Gewerkschaft ver.di, der Vereinigung der kommunalen Arbeitgeberverbände (VKA) und der Bundesregierung. Hierfür stehen beispielhaft die gemeinsamen Bemühungen im Rahmen der Konzertierten Aktion Pflege. Die Caritas, die Diakonie und der öffentliche Dienst zahlen seit Jahren angemessene (die höchsten) Löhne in der Altenhilfe. Ebenso kümmern wir uns 2 im Rahmen der Pflegekommission auch darum, dass alle Beschäftigten in der Altenhilfe höhere Löhne bekommen. Ebenso wichtig wie höhere Löhne sind für die Beschäftigten passgenaue Arbeitszeitmodelle und eine betriebliche Altersversorgung. Der sogenannte "Tarifvertrag Altenhilfe" wird in unserer Bewertung diesem Ziel nicht annähernd gerecht. Ausgehandelt von ver.di mit der BVAP (Bundesvereinigung der Arbeitgeber in der Pflegebranche, vertritt knapp 6 Prozent der Beschäftigten in der Altenhilfe), sollte er nach der Vorstellung von Arbeitsminister Heil für "allgemeinverbindlich" erklärt werden, also für alle 1,2 Millionen Beschäftigte in der Pflege gelten. Wir teilen Befürchtungen der Arbeitsrechtlichen Kommission, dass sich mit einer solchen Allgemeinverbindlichkeitserklärung die Vergütung der Beschäftigten in der Pflege nicht verbessern, sondern im Gegenteil verschlechtern würde.

Wir haben Bedenken

  • Bei genauerem Hinsehen handelt es sich bei dem "Tarifvertrag Altenhilfe" keinesfalls um ein grundständiges Tarifwerk, sondern im Grunde lediglich um eine Erhöhung des Mindestlohns in der Pflege. Eine betriebliche Altersvorsorge fehlt darin ebenso wie passgenaue Arbeitszeitmodelle oder die Regelung von Überstundenzuschlägen;
  • die allermeisten Beschäftigten in der Pflege, die im öffentlichen Dienst, bei Caritas oder Diakonie angestellt sind, verdienen um einiges mehr als es der "Tarifvertrag Altenhilfe" vorgesehen hätte. Dieser liegt etwa 10 Prozent unterhalb des AVR- bzw. TVöD-Niveaus. Ein für allgemeinverbindlich erklärter "Mini-Flächentarif" auf so niedrigem Niveau hätte womöglich auf lange Sicht die eklatante Kluft zwischen den Tarif-Niveaus festgeschrieben und einen Wettbewerb zwischen echten Tarifverträgen verhindert.
  • nicht zuletzt ist zu befürchten, dass die Kostenträger sich zukünftig an dem deutlich niedrigeren Niveau des "Tarifvertrag Altenhilfe" als Norm orientieren und die besseren Löhne bei Caritas und Diakonie nicht mehr refinanzieren. Wir wollen aber unseren Mitarbeitenden in der Pflege weiter gute Löhne zahlen.

​Was zahlt die Caritas
In den Einrichtungen und Diensten der Altenhilfe der Caritas steigen die Entgelte bis zum 01.04.2022 im Durchschnitt um 8,5 Prozent. Dies liegt an neuen Zulagen, die für den gesamten Pflegebereich - also Alten- und Krankenhilfe - beschlossen wurden. Die Vergütung einer Pflegefachkraft bei der Caritas in der Einstiegsstufe wird ab 01.04.2021 ein monatliches Brutto von 3.300 Euro erreichen und sukzessive auf ein Monatsbrutto von 4.100 Euro in der letzten Erfahrungsstufe ansteigen. Hinzu kommt eine zusätzliche Vergütung von (Zeit-)Zuschlägen sowie die fast vollständig arbeitgeberfinanzierte Zusatzversorgung. 3 Gute Arbeitsbedingungen und eine bessere Entlohnung von Pflegekräften sind nicht loszulösen von einer Reform der Finanzierung der Pflege, bei der die Kosten für die Pflegebedürftigen in Schach gehalten werden.

Was ist jetzt zu tun

Das gemeinsame Ziel für alle Beteiligten auf allen Ebenen muss sein, wieder gesprächs- und insbesondere bündnisfähig zu werden.

Die Pflegekommission der Bundesregierung wird gebeten, die bereits beschlossenen Mindestlöhne und Urlaubsansprüche für die Pflegefach- und Pflegehilfskräfte in 2021 und 2022 vor dem Hintergrund des "Tarifvertrags Altenhilfe" zu prüfen und ggfs. nach oben zu korrigieren.

Die Zulassung einer Pflegeeinrichtung sollte an eine Tarifbindung gebunden werden. Dieser auch vom Bundesgesundheitsministerium ein gebrachter Vorschlag sollte zeitnah umgesetzt werden. Die Reform der Pflege steht an. Die Pflegeversicherung muss zu einer echten Teilkaskoversicherung weiterentwickelt werden, die die Finanzierung der pflegerischen Leistungen sicherstellt und die Eigenanteile der Pflegekosten begrenzt. Denn, Pflege ist eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe und hier muss das Solidarprinzip greifen. Die Finanzierung ist auf eine breitere Basis zu stellen und die Einbeziehung weiterer Einkommensarten zur Beitragsbemessung (auf Basis des steuerlichen Einkommens) sowie eine Anhebung der Beitragsbemessungsgrenze gilt es zu berücksichtigen. Die Leistungen der ambulanten Pflegedienste müssen besser refinanziert werden und die Länder müssen ihrem Auftrag bei der Finanzierung der Investitionskosten verbindlich nachkommen. Unabhängig von allem sind die Leistungen der Pflegeversicherung an die Inflationsrate anzupassen. (vgl. Position des Deutschen Caritasverbandes: Weiterentwicklung der Pflegeversicherung in der "neuen caritas" 21/2019)

Wir werden uns als DiCV Limburg auch weiterhin für die Verbesserung der Arbeitsbedingungen in der Pflege und allen anderen Feldern der sozialen Arbeit einsetzen. Eine angemessene Bezahlung, zeitgemäße Arbeitszeitmodelle und eine betriebliche Altersversorgung sollten Standard im Sozial- und Gesundheitswesen sein, ebenso wie ein echter Tarifvertrag. Weitere aktuelle Informationen zu diesem Thema finden Sie unter https://www.caritas.de/bessere-pflege.

Limburg, den 08.03.2021

Mit freundlichen Grüßen

Jörg Klärner
Diözesancaritasdirektor

 


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2021 03 08 - DiCV - Stellungnahme Tarifvertrag Altenhilfe und Reform der Pflegeversicherung - final

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